Genau vor 100 Jahren wurde das weltberühmte Bauhaus in Weimar gegründet. Dazu erschien 1919 ein Faltblatt mit einem Holzschnitt von Lyonel Feininger, einem Manifest-Text von Walter Gropius sowie dem Programm der neuen Schule. Nur wenige Exemplare des Originals sind heute noch erhalten. Zum Jubiläum 100 Jahre Bauhaus entstand in der Pavillon-Presse eine autorisierte Neuauflage dieser bedeutenden Drucksache.
Unser Bauhaus-Manifest ist jedoch nicht bloß eine Replik von einem Scan. Genau wie vor 100 Jahren wurde der Holzschnitt in eine Metall-Ätzung überführt, um dann im klassischen Hochdruckverfahren reproduziert zu werden. Der Druck erfolgte durch Vereinsmitglieder in den Werkstätten der Pavillon-Presse. In Anlehnung an mittelalterliche Bauhütten symbolisiert die Feininger-Kathedrale das mit dem Bauhaus anvisierte Ziel des Gesamtkunstwerks als Einheit aus Handwerk und Kunst.
geätztes Klischee des Feininger-Holzschnittes
Selbst die passende Bleisatzschrift fand sich in den Beständen des Museums, leider jedoch nicht in den erforderlichen Schriftgrößen. Deshalb wurde entschieden, den kompletten Text der Drucksache digital nachzusetzen.
Ohio-Schrift aus dem Bestand der Pavillon-Presse
Die Typografie der Texte zeigt noch keine der stilprägenden Merkmale der richtungweisenden modernen Typografie, die sich in den 1920er-Jahren durchsetzen sollte. Zur Gründung des Bauhauses verfügte die Schule übrigens auch noch nicht über eine Satzwerkstatt für typografische Arbeiten. Die Druckwerkstatt des Weimarer Bauhauses war auf künstlerische Drucktechniken wie Tiefdruck, Flachdruck und Hochdrucktechniken wie Holz- und Linolschnitt ausgelegt. Erst im Dessauer Bauhaus wurde eine Satzwerkstatt eingerichtet und nahm dann auch eine wichtige Stellung ein.
Auf den ersten Blick scheint das Bauhaus-Manifest in der Ohio-Schrift der Dresdner Schriftgießerei Schriftguß AG ehemals Brüder Butter gedruckt worden zu sein. Bei genauerer Betrachtung der Details zeigen sich jedoch Ungereimtheiten. Tatsächlich entstammen die Buchstaben der Schrift Papst Oldstyle des großen US-amerikanischen Anbieters American Type Founders. Die Schrift geht ursprünglich auf eine Lettering-Arbeit des Schriftgestalters Frederic Goudy für die Brauerei Pabst zurück. Davon abgeleitet entstand dann die Schrift Pabst Oldstyle, die über Lizenzverträge später auch in Deutschland erschien. Die Bauhaus-Drucksache nutzte jedoch augenscheinlich das US-amerikanische Original.
Der Einsatz einer US-amerikanischen Bleisatzschrift zu dieser Zeit überrascht selbst Experten – denn er war mit Problemen verbunden. Schriften waren damals noch nicht wie heute für den internationalen Vertrieb ausgelegt und eine amerikanische Schrift verfügte somit auch nicht über eine deutsche Zeichenbelegung. So musste die Druckerei des Bauhaus-Manifests an vielen Stellen improvisieren. Das Eszett wurde aus mindestens zwei anderen Schriften entnommen. Die deutschen Anführungszeichen wurden aus Kommas gesetzt und die Umlaute vermutlich durch Abfeilen der Grundbuchstaben aus zwei Teilen zusammengebaut.
Detail aus dem Original des Bauhaus-Manifests
Ausgangsbasis für unsere neue Auflage war die Digitalisierung der Ohio-Schrift durch den Schriftanbieter Walden Font Co. Die Details des Entwurfs wurden so angepasst, dass sie der Bleisatz-Version der amerikanischen Pabst-Oldstyle entsprachen und auch die improvisierten Details – wie die Anführungszeichen aus Kommas – wurden übernommen. So wurde das komplette Dokument Buchstabe für Buchstabe digital nachgesetzt und jeder Buchstabe manuell »zugerichtet«, das heißt, mit den originalgetreuen Zwischenräumen versehen. Im Ergebnis konnte so ein deutlich besseres Schriftbild erzielt werden, als hätte man lediglich einen Originaldruck gescannt und reproduziert.
Detail aus dem Original des Bauhaus-Manifests
Der visuelle Charakter der Drucksache ist eher einfach und manuskriptartig. Dies wird auch durch die Betonung vieler Textstellung durch Sperren, d.h. deutliches erhöhen der Buchstabenabstände gefördert – eine Technik, die beim Tippen mit der Schreibmaschine üblich war, im Buchdruck mit Antiqua-Schriften jedoch eher nicht. Andererseits zeigt sich auch ein Gespür für typografische Details. So wurden vermutlich zumindest für Überschriften die Bleibuchstaben mit schrägen Buchstabenelementen so abgefeilt, dass sie ein harmonischeres Schriftbild ergeben.
Der Druck der Innenseiten erfolgte in Zusammenarbeit mit der Weimarer Buch- und Kunstdruckerei Kessler. Das neue Bauhaus-Manifest ist ab sofort in unserem Museumsshop erhältlich. Der Feininger-Holzschnitt ist auch als Hochdruck-Poster ohne die Texte des Manifests verfügbar.
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